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Mensch-Maschine: Was steckt hinter dem Open Call?

Inwiefern beeinflusst das Verhältnis von Mensch und Maschine unsere Gesellschaft? Welche Entwicklungen sind möglich? Diese Fragen sind Thema des Open Calls von VISIT und Junge Akademie der Akademie der Künste. Clara Herrmann, Leiterin der Jungen Akademie, erklärt, warum es nicht nur um digitale Technik als künstlerisches Medium geht. 

Frau Herrmann, ab Februar 2020 wird es für drei Jahre ein gemeinsames Artist-in-Residence-Programm der Jungen Akademie der Künste und VISIT geben. Wie kam es dazu? Was verbindet die Programme?

Zuallererst verbindet uns die Förderung junger Kunstschaffender im interdisziplinären Feld. Zudem möchten wir in der Jungen Akademie verstärkt Projekte an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft sowie thematische Diskurse mit gesellschaftspolitischer Relevanz und künstlerisch-forschender Perspektive fördern. Unsere Interessen überschneiden sich hier mit dem Programm VISIT. Durch eine Kooperation können wir Ressourcen, Know-how oder auch Atelierräume gemeinsam nutzen. Außerdem interessieren sich VISIT und die Junge Akademie für neue Denkanstöße, einen offenen Dialog und wir wollen voneinander und mit den Künstlerinnen lernen. Denn gerade die Digitalisierung birgt neue Herausforderungen für die Gesellschaft, die man nicht mehr nur aus einer Perspektive beantworten kann. Deshalb sollten wir alternative Fragestellungen zulassen, die nicht wirtschaftlichen Interessen untergeordnet sind. Kunst setzt an dieser Stelle an und gibt andere Antworten, stellt Fragen und stört die üblichen Prozesse.

Die Kooperation einer Stiftung und einer Akademie in Form eines Artist-in-Residence-Programms klingt nach einem Experiment. Welche Vorteile bietet die Zusammenarbeit für junge Künstler*innen?

Zuerst stellt sie eine sehr gute finanzielle Ausstattung sicher. Weiterhin bietet eine Kooperation den Vorteil, dass die Künstler*innen an das internationale Netzwerk der Akademie der Künste angeschlossen sind, das aus Stipendiat*innen und renommierten Mitgliedern sowie Partner*innen besteht. Hinzu kommt das Netzwerk von VISIT. Das erweitert das Spektrum an Austauschpartner*innen, Themen und Know-how enorm. Das interdisziplinäre Feld, in dem sich Künstler*innen bewegen können, bilden wir über die sechs Kunstsektionen – Bildende Kunst, Baukunst, Musik, Literatur, Darstellende Kunst, Film- und Medienkunst – ab. Zudem bietet die Akademie der Künste eine große Präsentationsfläche, zum Beispiel über Abschlussveranstaltungen oder Diskursformate, die Teil der Kooperation sein werden. Weiterhin entwickeln wir momentan eine digitale Plattform, auf der künstlerische Diskurse in Form von Artikeln oder auch temporären digitalen Ausstellungen abgebildet werden können. Das Programm VISIT verfügt außerdem über Erfahrungen in Zusammenarbeit mit Unternehmen. Das ist für uns etwas Neues und ein Vorteil für Kunstschaffende, die auf diese Expertise bauen.

Das Thema von VISIT ist Energie - der Ableger in Berlin fokussiert sich auf „Mensch und Maschine”. Welches Ziel verfolgen Sie dabei?

Aktuell beschäftigt sich vor allem die junge Kunst mit digitaler Technik und Themen – auch bei uns an der Jungen Akademie. Junge Künstler*innen sehen hier die Entwicklungen und greifen sie auf noch bevor eine Kunstinstitution sich damit beschäftigt. Die Sichtweisen der Kunstschaffenden, die unsere künstlerischen Institutionen und bestenfalls auch die Gesellschaft prägen, möchten wir in unserem Artist-in-Residence-Programm fördern. Eines der bestimmenden digitalen Themen der Gesellschaft, die künstliche Intelligenz, ist mittlerweile breit in der Kunstwelt angekommen. Es gibt international viele Kulturinstitutionen, die entweder aus kunsthistorischer oder technischer Sicht dieses Thema bearbeiten, Werke ausstellen oder Konferenzen ausrichten. Das heißt, wir begeben uns in einen bereits bestehenden und weltweit sehr großen Diskurs. Unser Fokus liegt aber auf der ästhetischen und politischen Ebene beziehungsweise der künstlerischen Perspektive und Expertise. Für die Diskussion laden wir aber auch Wissenschaftler*innen, Technolog*innen und Aktivist*innen ein und schließen uns mit der Wirtschaft kurz. Auf welche Weise sich die Künstler*innen schließlich mit dem Thema auseinandersetzen, steht ihnen frei.

Welche Möglichkeit bietet das Artist-in-Residence-Programm, um die neue Technologie zu reflektieren?

Bei unserer Ausschreibung interessieren uns unter anderem folgende Fragen: Welche Szenarien können Künstler*innen zukunftsgerichtet in Bezug auf das besondere Verhältnis von Mensch und Maschine zeigen? Wie verschiebt sich das Verhältnis von Mensch, Natur, Maschine und Körper? Welche anderen Fragen oder Antworten stellt und gibt die Kunst in diesem Kontext? Über welches Wissen verfügt sie? Was passiert mit „humaner” Autonomie? Wir haben mit dem thematischen Call, den wir international ausschreiben, einen programmatischen Rahmen vorgegeben, aber möchten uns von den Ideen und Perspektiven der Künstler*innen prägen lassen. Bei Methodik und Formaten sind keine Grenzen gesetzt. Dabei bietet sich die Möglichkeit an einer Diskussion teilzunehmen, die über drei Jahre hinweg, geführt werden soll.

Die Bandbreite bei diesem Thema ist ja sehr groß - worauf legt die Ausschreibung besonderen Wert und was wollen Sie nicht?

Wir sehen unsere Ausschreibung und das Programm als Plattform, die die Kunstschaffenden aktiv und kritisch mitgestalten. Uns interessieren aber keine künstlerischen Projekte, bei denen Künstler*innen die Technik und das Medium nutzen, ohne die Tools kritisch zu hinterfragen. Unser Fokus liegt auch nicht auf der Auseinandersetzung beziehungsweise der Gegenüberstellung von künstlerischer und künstlicher Kreativität. Ferner gibt es auch sehr viele Digitalisierungs-Mythen und eine sich ständig wiederholende Rhetorik sowie bestimmte Bilder in diesem Feld, die sich festgesetzt haben. Vielleicht sind neue Gedankenexperimente und Sichtweisen nötig.

Was wünschen Sie sich von den BewerberInnen?

In allererster Linie hoffen wir auf Dialogbereitschaft und die Offenheit für Experimente.